Wenn wir zwei Magnete näher bringen, spüren wir eine unsichtbare Kraft, die sie anzieht oder abstößt. Diese makroskopische Manifestation des Magnetismus hat ihren Ursprung im Unendlichkleinen, auf der Ebene der Elektronen. Jedes Elektron verhält sich wie ein winziger Magnet und besitzt, was Physiker als magnetisches Moment bezeichnen. Doch wie kann ein Elementarteilchen, ohne innere Struktur, ein Magnetfeld erzeugen?
Dieses scheinbare Paradoxon forderte die klassische Physik jahrzehntelang heraus. Die Antwort liegt in einer rein quantenmechanischen Eigenschaft: dem Spin. Entgegen dem, was der Name vermuten lässt, ist der Spin keine physische Rotation des Elektrons um sich selbst. Es ist eine intrinsische Eigenschaft, so grundlegend wie seine elektrische Ladung oder Masse, mit keinem klassischen Äquivalent (kein Bild kann repräsentativ sein).
Ladung des Elektrons (e): Elektromagnetische Eigenschaft, konstant und verantwortlich für Coulomb-Wechselwirkungen (elektrische Kräfte und Magnetfelder, wenn das Elektron in Bewegung ist).
Spin (S): Quantisierter intrinsischer Drehimpuls des Elektrons, unabhängig von jeder Orbitalbewegung. Er ist nicht mit einer physischen Rotation des Teilchens verbunden.
1922 führten die Physiker Otto Stern (1888-1969) und Walther Gerlach (1889-1979) ein revolutionäres Experiment durch. Sie schickten einen Strahl von Silberatomen durch ein intensives Magnetfeld mit starkem Gradienten, erzeugt durch eine Vorrichtung, bei der ein Polschuh eine scharfe Kante und der andere eine flache Oberfläche hatte. Laut klassischer Physik könnte das magnetische Moment dieser Atome jede beliebige Orientierung im Raum einnehmen, wie ein Vektor, der alle möglichen Orientierungen annehmen kann. Beim Durchqueren dieses Feldes mit stark variierender Intensität sollten die Atome daher je nach Orientierung ihres magnetischen Moments unterschiedlich abgelenkt werden und eine durchgehende Spur auf dem Detektorschirm von oben nach unten erzeugen.
Die Beobachtung war jedoch atemberaubend: Statt einer kontinuierlichen Verteilung sahen sie nur zwei getrennte und deutliche Flecken, einen oben und einen unten auf dem Schirm, mit nichts dazwischen. Diese räumliche Quantisierung zeigt, dass das magnetische Moment der Elektronen nur zwei diskrete Werte annehmen kann, die zwei entgegengesetzten Spinorientierungen entsprechen. Man spricht von Spin "up" (↑) und Spin "down" (↓) oder genauer von Spin +½ und -½ (in Einheiten der reduzierten Planck-Konstante \(\hbar\)). Dieses Experiment stellt den ersten direkten Beweis dar, dass magnetische Eigenschaften auf atomarer Ebene quantisiert sind.
Das magnetische Moment des Elektrons, bezeichnet als \(\mu_e\), ist direkt proportional zu seinem Spin. Sein experimenteller Wert beträgt etwa \(9.284 \times 10^{-24}\) Joule pro Tesla, eine Größe, die als Bohrsches Magneton bezeichnet wird. Dieser winzige Wert zeigt, wie schwach der magnetische Effekt eines einzelnen Elektrons ist. Doch wenn Milliarden von Milliarden Elektronen ihre Spins in dieselbe Richtung ausrichten, wie in einem Eisenmagneten, wird der kumulative Effekt makroskopisch. Das magnetische Moment eines Elektrons ergibt sich aus zwei unterschiedlichen Beiträgen:
Wenn wir versuchen, den Spin als eine tatsächliche Rotation des Elektrons um sich selbst zu interpretieren, stoßen wir auf ein großes Problem. Um das beobachtete magnetische Moment zu erzeugen, müsste die Oberfläche des Elektrons mit einer Geschwindigkeit rotieren, die viel größer als die des Lichts ist, was die Relativitätstheorie verletzen würde. Darüber hinaus wird das Elektron im quantenmechanischen Rahmen durch eine Wellenfunktion beschrieben, die nicht als klassische rotierende Kugel betrachtet werden kann.
Dieses Paradoxon wurde 1928 von Paul Dirac (1902-1984) gelöst. Als Dirac die Gleichungen des Elektrons schrieb und gleichzeitig die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie respektierte, tauchte der Spin natürlich in den Lösungen auf, ohne künstlich hinzugefügt werden zu müssen, wie eine Musiknote, die entsteht, wenn man zwei Harmonische kombiniert.
| Teilchen | Spin | Magnetisches Moment (in Magnetonen) | Rolle im Magnetismus |
|---|---|---|---|
| Elektron | ½ | 1,001 Bohrsches Magneton | Hauptverantwortlich für den Magnetismus von Materialien (Permanentmagnete, Ferromagnetismus). Seine Ausrichtung in Atomen erzeugt makroskopische magnetische Eigenschaften. |
| Proton | ½ | 2,793 Kernmagneton | Wird in der Kernspinresonanz (NMR) zur Analyse von Molekülen und in der medizinischen Bildgebung (MRI) zur Visualisierung von biologischem Gewebe verwendet. |
| Neutron | ½ | -1,913 Kernmagneton | Wird in der Neutronenstreuung zur Untersuchung magnetischer Strukturen in Materialien verwendet. Sein negatives magnetisches Moment offenbart seine zusammengesetzte Struktur (Quarks). |
| Photon | 1 | 0 | Vermittelt die elektromagnetische Kraft. Transportiert Energie zwischen Ladungen und Magneten, besitzt aber kein intrinsisches magnetisches Moment. |
In den meisten Materialien paaren sich Elektronen mit antiparallelen Spins (in entgegengesetzte Richtungen orientiert), was zu einer fast vollständigen Aufhebung ihres gesamten magnetischen Moments führt. Diese Substanzen werden als diamagnetisch bezeichnet, wie Wasser, Kupfer oder Gold, weil ihre Elektronen vollständig gepaart sind: Jedes Elektron ist mit einem anderen von entgegengesetztem Spin assoziiert, sodass das gesamte magnetische Moment in Abwesenheit eines Feldes null ist. Wenn ein externes Feld angelegt wird, gibt es keine ungepaarten Elektronen, um eine positive Magnetisierung zu erzeugen; die einzige mögliche Reaktion ist dann eine sehr schwache und entgegengesetzte induzierte Orbitalpolarisation, was den Diamagnetismus charakterisiert.
Im Gegensatz dazu entwickelt ein Atom, das ein oder mehrere ungepaarte Elektronen und damit unkompensierte Spins besitzt, eine Nettomagnetisierung unter der Wirkung eines externen Magnetfelds. Diese Reaktion charakterisiert den Paramagnetismus, der beispielsweise in Aluminium oder Platin beobachtet werden kann.
In bestimmten Materialien können die magnetischen Momente dieser ungepaarten Elektronen sich gegenseitig beeinflussen und kollektiv ausrichten. Das Material erwirbt dann eine stabile Magnetisierung, selbst in Abwesenheit eines externen Feldes, eine Manifestation des Ferromagnetismus, wie in Eisen, Kobalt oder Nickel.