Bildbeschreibung: Was sehen wir auf diesem zusammengesetzten Falschfarbenbild?
Wir sehen die gesamte Materie des Bullet-Clusters. Die beiden Galaxienhaufen des Bullet-Clusters befinden sich im blauen Bereich, und die beiden Wolken aus galaktischem Gas sind im Röntgenlicht in Rot zu sehen. Die blauen Bereiche stellen den Großteil der Masse der Haufen dar, d.h. Dunkle Materie, die sechsmal massereicher ist als normale Materie. Der Bullet-Cluster ist der kleinere der beiden Haufen, der den anderen durchquert (blauer Bereich rechts). Die gigantische Kollision hat die beiden Haufen ihres Gashalos "entkleidet" und eine Stoßwelle erzeugt, die an der Spitze des kleinen roten Flecks sichtbar ist. Diese Stoßwelle hat das Gas des Haufens stark komprimiert und auf etwa 100 Millionen Grad erhitzt. Wir können etwas wie ein Geschoss erkennen, gefolgt von seiner Gasspur. Bildnachweis: NASA CXC CfA.
Der Bullet-Cluster, auch bekannt als 1E 0657-56, ist ein berühmter Galaxienhaufen, der für seine spektakuläre Kollision zwischen zwei kleineren Haufen bekannt ist. Er befindet sich etwa 3,4 Milliarden Lichtjahre entfernt und wurde vom Hubble-Weltraumteleskop und dem Chandra-Röntgenobservatorium detailliert untersucht. Sein Name, "Bullet", bezieht sich auf die charakteristische Form des Haufens, die aus der Kollision resultiert.
Der Bullet-Cluster besteht aus Tausenden von Galaxien, heißem Gas und Dunkler Materie. Röntgenbeobachtungen von Chandra haben gezeigt, dass das heiße Gas, das den Großteil der baryonischen Materie (sichtbar) darstellt, von der Dunklen Materie getrennt ist. Diese Trennung ist ein direkter Beweis für die Existenz Dunkler Materie, da sie nicht auf die gleiche Weise mit normaler Materie interagiert wie das heiße Gas.
Die Beobachtungen des Bullet-Clusters haben es Astronomen ermöglicht, den Gravitationslinsen-Effekt zu nutzen, um die Verteilung der Dunklen Materie zu kartieren. Durch die Beobachtung der Verzerrungen in den Bildern von Hintergrundgalaxien konnten Wissenschaftler die Anwesenheit und Verteilung der Dunklen Materie im Haufen bestätigen. Diese Technik war entscheidend für das Verständnis der Dynamik der Kollision und der inneren Struktur des Haufens.
Galaxienhaufen bestehen nicht nur aus Galaxien; sie sind auch in kaltes Gas von niedriger Dichte (etwa 1000 Teilchen/m3) und heißes Gas eingebettet, das 10 bis 100 Millionen Grad erreicht. Bei diesen Temperaturen ist das Gas vollständig ionisiert und bildet ein Plasma, das im Röntgenbereich sichtbar ist.
Das Gas ist viel diffuser verteilt; es füllt den Raum zwischen den Galaxien und erstreckt sich weit darüber hinaus. Die Masse des Gases, das zum Haufen gehört, ist viel größer als die Masse der Galaxien selbst. Wenn wir die Gravitationsdynamik des Universums auf großer Skala messen, macht die Masse der normalen Materie im beobachtbaren Universum nur etwa 4% der Gesamtmasse aus. Etwa 23% entfallen auf Dunkle Materie und 73% auf Dunkle Energie, wie im SCDM-Modell (Standard Cold Dark Matter) beschrieben. Was wir durch das Licht der Sterne, Galaxien und Haufen beobachten, entspricht nur der normalen Materie.
Alle Materie, sowohl normale als auch Dunkle, unterliegt den Kräften des Gravitationsfeldes. Der Bullet-Cluster oder 1E 0657-56, der im Sternbild Carina beobachtbar ist, ist das Ergebnis der Kollision zweier Galaxienhaufen, die vor etwa 150 Millionen Jahren stattfand. Die Untersuchung dieser Kollision, die im August 2006 begann, hat einen der stärksten Beobachtungsbeweise für die Existenz Dunkler Materie geliefert.
Wenn Haufen kollidieren, ist normale Materie (Sterne, Gas und Staub) den Gravitationskräften ausgesetzt. In Wirklichkeit kollidieren massive Objekte wie Sterne fast nie direkt: Der interstellare Raum ist riesig, und Sterne passieren einander, ohne sich zu treffen. Sie werden nicht zerstört, können aber durch gravitative Wechselwirkung leicht beschleunigt oder abgebremst werden.
Andererseits interagieren während der Kollision die kalten und heißen Gase, die den Großteil der baryonischen Masse der Haufen ausmachen, stark. Diese Gase werden abrupt abgebremst, komprimiert und durchmischt, aufgrund ihrer diffusen Natur, schwachen Bindung und atomaren Freiheit. Dieses kontrastierende Verhalten ist in den zusammengesetzten Bildern des Bullet-Clusters deutlich sichtbar.
Diese gigantische Kollision zwischen den beiden Haufen setzte beträchtliche Energie frei. Die Beobachtung im Röntgenbereich liefert grundlegende Einblicke in die Dunkle Materie, da Sterne, Gase und Dunkle Materie sehr unterschiedlich auf den Gravitationsschock reagieren.
Die Galaxien der beiden Haufen werden im sichtbaren Licht beobachtet und erscheinen als mehrere weiße Flecken. Die heißen Gase werden im Röntgenbereich erkannt und erscheinen als rote Wolken. Dunkle Materie wird hingegen indirekt durch den Gravitationslinseneffekt kartiert und durch diffuses blaues Licht dargestellt.
Das Bild zeigt Hunderte von Galaxien, die in Haufen gruppiert sind, wobei ein kleiner Haufen im blauen Fleck rechts und ein massereicherer Haufen im blauen Fleck links sichtbar sind. Die zugehörigen Gashüllen erscheinen in Rot. Tatsächlich hat der kleine Galaxienhaufen den großen Haufen durchquert und sein stark abgebremstes Gas zurückgelassen.
Die Kollision hat die Haufen buchstäblich ihres Gashalos "beraubt" und eine Stoßwelle erzeugt, die an der Spitze des kleinen roten Flecks sichtbar ist. Diese Stoßwelle hat das Intra-Cluster-Plasma auf Temperaturen von etwa 100 Millionen Grad komprimiert und erhitzt. Das Chandra-Röntgenobservatorium hat lokal Geschwindigkeiten der Gasverschiebung von bis zu 4500 km/s gemessen.
Die beiden Haufen sind jetzt etwa 3,4 Milliarden Lichtjahre voneinander entfernt. Die aus ihrer Gravitationsdynamik abgeleitete Gesamtmasse ist viel größer als die Masse der beobachtbaren normalen Materie (optisch sichtbare Galaxien und im Röntgenbereich detektiertes Gas). Die blauen Bereiche zeigen die Verteilung der unsichtbaren Dunklen Materie.
Während dieser titanischen Frontalkollision verhielt sich die Dunkle Materie wie eine vernachlässigbare Kollisionskomponente: Sie durchquerte den anderen Haufen ohne signifikante Wechselwirkung, im Gegensatz zum interstellaren Gas, das abgerissen und abgebremst wurde. Diese klare Trennung zwischen Dunkler Materie und Gaswolken stellt einen direkten und robusten Beweis für die Existenz Dunkler Materie dar.