Lange vor den Griechen oder Chinesen beobachteten die Sumerer und ihre Erben, die Babylonier, den Himmel von den Ufern des Tigris und Euphrat aus.
Ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. stellten sie die ersten Korrelationen zwischen den Himmelsbewegungen und irdischen Ereignissen her und ordneten den sichtbaren Gestirnen Götter zu: Schamasch der Sonne, Sin dem Mond, Ishtar der Venus, Nergal dem Mars, Marduk dem Jupiter und Ninurta dem Saturn.
Diese religiöse Astronomie entwickelte sich zu einer mathematischen Astronomie von bemerkenswerter Präzision.
Astronomen-Priester (ṭupšar Enūma Anu Enlil) hielten auf Tausenden von Tontafeln die Mondphasen, die heliakischen Aufgänge und die Finsternisse fest.
Diese Archive bilden die erste bekannte astronomische Datenbank.
Die mesopotamischen Observatorien, oft auf den Spitzen der Zikkurate gelegen, dienten als Beobachtungsplattformen, um die Winkelhöhen der Gestirne mit Hilfe von Gnomonen und Visierröhren zu messen.
Die babylonischen Astronomen führten über Jahrhunderte hinweg wiederholte Messungen durch, die es ihnen ermöglichten, wesentliche periodische Zyklen wie den Saros-Zyklus der Finsternisse (≈ 18,03 Jahre) zu identifizieren.
Ihr Ziel war es nicht, die physikalischen Ursachen der Himmelsbewegungen zu verstehen, sondern deren Regelmäßigkeiten zu bestimmen, um die Zukunft vorherzusagen.
So entstand eine frühe Form der empirischen Himmelsmechanik, bei der die Präzision der Berechnung über die kosmologische Spekulation siegte.
| Periode / Zivilisation | Ungefähre Daten | Astronomische Beiträge | Instrumente und Innovationen |
|---|---|---|---|
| Sumerisch | ca. 3000 – 2000 v. Chr. | Organisation des Himmels in primitive Sternbilder; Identifizierung des mesopotamischen Tierkreises mit 12 Teilen; lunisolarer Kalender basierend auf dem synodischen Mondzyklus (29,53 Tage). | Verwendung des Gnomons und des landwirtschaftlichen Kalenders; erste Sternlisten (wie die „Liste der Sterne Anus“). |
| Altbabylonisch | ca. 1900 – 1000 v. Chr. | Regelmäßige Beobachtung der Mondfinsternisse und Korrelation mit politischen Ereignissen; Entstehung der Serie Enūma Anu Enlil (7000 himmlische Vorzeichen). | Entwicklung von Tabellen für Sternauf- und -untergänge; erste Berechnungen von Schaltmonaten, um den Kalender zu stabilisieren. |
| Neubabylonisch | ca. 1000 – 539 v. Chr. | Aufkommen einer quantitativen Astronomie; Aufzeichnung der Planetenpositionen; Bestimmung des mittleren synodischen Monats und der ekliptikalen Längen. | Einführung von regelmäßigen Beobachtungstafeln (astronomical diaries); Standardisierung des sexagesimalen Zahlensystems. |
| Chaldäisch (hellenistische Periode) | 539 – 100 v. Chr. | Entwicklung arithmetischer Modelle der Planetenbewegungen; Erfindung des Tierkreises mit 12 Zeichen zu je 30°; direkter Einfluss auf die griechische Astronomie (Hipparch, Ptolemäus). | Verwendung von Ephemeridentafeln und linearen Diagrammen, um die variablen Geschwindigkeiten der Planeten darzustellen. |
N.B.:
Das babylonische Sexagesimalsystem (Basis 60) ermöglichte eine große Präzision bei Winkel- und Zeitberechnungen: \(1° = 60′ = 3600″\).
Von dieser Zählweise leiten sich noch heute unsere 60-Minuten-Stunden und 360°-Kreise ab.
N.B.:
Die Chaldäer des 5. Jahrhunderts v. Chr. waren die ersten, die Vorhersagetabellen für die Bewegungen von Jupiter und Venus erstellten.
Sie verwendeten arithmetische Methoden, die diskreten Integralen entsprachen und damit die moderne Vorstellung von der Fläche unter einer Kurve vorwegnahmen.
Die babylonischen Gelehrten stellten sich die Bewegung der Gestirne nach einer rein arithmetischen Logik vor.
Die Planetenpositionen wurden durch Addition oder Subtraktion von Durchschnittsgeschwindigkeiten in regelmäßigen Abständen berechnet.
Die sogenannten System A- und System B-Tafeln (5.–3. Jahrhundert v. Chr.) zeigen die Verwendung von numerischen Epizykeln noch vor der griechischen geometrischen Formulierung.
Einige in Sippar und Uruk entdeckte Tafeln zeigen, dass die Babylonier eine Form der diskreten Differentialrechnung kannten: Sie bestimmten die Fläche unter einer Kurve, die die Geschwindigkeitsänderung des Jupiter darstellt, um seine mittlere Länge zu schätzen – ein Konzept, das Europa erst in der Zeit Newtons wiederentdeckte.
Der babylonische Kalender verband Mond- und Sonnenzyklen: Ein Jahr bestand aus 12 Monaten mit 29 oder 30 Tagen (354 Tage), wobei ein 13. Monat eingeschoben wurde, um die jahreszeitliche Übereinstimmung wiederherzustellen.
Diese Methode wurde während des babylonischen Exils (6. Jahrhundert v. Chr.) an die Juden weitergegeben und führte zur Entstehung des hebräischen Kalenders.
Die 12 Tierkreiszeichen tauchten erstmals um 450 v. Chr. in Babylon auf.
Jedes Zeichen entsprach einem von der Sonne durchquerten Sternbild und einer Gottheit.
Sie hatten eigene Namen in akkadischer oder sumerischer Sprache, die oft mit Göttern, Tieren oder landwirtschaftlichen Symbolen verbunden waren.
Diese 30°-Einteilungen bildeten den konzeptionellen Rahmen der Astrologie, die später an die Griechen weitergegeben wurde.
Die Griechen passten den babylonischen Tierkreis im 4. Jahrhundert v. Chr. an und prägten die Namen, die wir heute kennen (Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fische).
Die babylonische Astronomie übte einen entscheidenden Einfluss auf das antike Griechenland aus.
Die Werke von Hipparch über die Präzession der Äquinoktien, von Geminus und von Ptolemäus basieren direkt auf den chaldäischen Daten, die in Babylon und Uruk gesammelt wurden.
Mondzyklen, synodische Perioden und die Einteilung des Tierkreises stammen alle aus diesen mesopotamischen Quellen.
Durch die Kombination von systematischer Beobachtung und mathematischer Analyse legten die Babylonier den Grundstein für die moderne astronomische Wissenschaft.
Ihr empirischer Ansatz, der auf Periodizität und nicht auf physikalischen Ursachen beruhte, stellt die erste Form eines prädiktiven Modells der natürlichen Welt dar.
Referenzen:
– Francesca Rochberg, The Heavenly Writing: Divination, Horoscopy, and Astronomy in Mesopotamian Culture, Cambridge University Press (2004).
– Hermann Hunger & David Pingree, Astrological Diaries and Astronomical Texts, Brill (1989–2005).
– Asger Aaboe, Episodes in the Early History of Astronomy, Springer (2001).
– John Steele, Observations and Predictions of Eclipse Times by Early Astronomers, Springer (2000).
– Sachs & Hunger, Astronomical Diaries and Related Texts from Babylonia, Austrian Academy of Sciences (1988–2006).
Die babylonische Astronomie markiert die Geburt einer Wissenschaft der Zeit, die auf geduldiger Beobachtung und der Regelmäßigkeit der Phänomene basiert.
Indem sie das Schicksal der Reiche mit der Himmelsmechanik verbanden, schufen die Babylonier eine Kontinuität zwischen Kosmos, Macht und Mathematik.
Ihr Erbe findet sich in der Zeitmessung, der Kreisteilung, den Mondzyklen und den Grundlagen der westlichen Astronomie wieder.